Die Juwelendiebe aus Serbien, Montenegro, Kroatien und Bosnien sind für die weltweit wohl spektakulärsten Raubüberfälle mit einem Schaden im Wert von geschätzten 500 Mio. USD verantwortlich. Gemeinsam mit Europol, Interpol und ihrem Team aus Mitgliedern der deutschen Antiterroreinheit (GSG9), dem BKA, MEK und Spezialverbänden verfügt sie über einmalige Einblicke.

Frau Scholz, wie werden große Raubfälle vorbereitet? Welche Ressourcen sind notwendig und was wird getan?

Grundsätzlich gibt es keine Zufälle in diesem Milieu. Weshalb ich seit Beginn meiner Tätigkeit in diversen Risikobereichen auch den Leitspruch von Voltaire übernommen habe: „Zufall ist ein Wort ohne Sinn, nichts kann ohne Ursache existieren.“ Täter wählen sich ihre Objekte gezielt aus und entscheiden dies nicht am Morgen während des Frühstücks. Es gibt zahlreiche sogenannte Aufklärer, die diverse Einrichtungen „besuchen“, sich die Abläufe genauestens ansehen. Registriert wird alles, was sicherheitsrelevant ist und Zugang zum lohnenden Objekt verschafft. Dabei sind banale Dinge, die für Mitarbeiter oder echte Kunden gar nicht auffällig sind, möglicherweise entscheidend für die spätere Entscheidung, in dieses Objekt einzubrechen oder es zu überfallen.

Große Ereignisse benötigen zudem eine Menge Manpower und Know-How. Die eingesetzten Finanzmittel zur Beschaffung von Fluchtfahrzeugen, Pässen, Reisen und Waffen wird kalkuliert und gegen den zu erwartenden Gewinn verrechnet. Eine Kosten-Nutzen-Analyse wie in jedem gut geführten Unternehmen auch. Erst wenn der Gewinn lohnenswert erscheint, wird eine Tat weiter vorbereitet. Ansonsten wird abgebrochen und ein „einfacher zu überwindendes“ Objekt ausgewählt. Aufgeklärt wird alles: mechanische, elektronische und personelle Absicherungen. Gibt es Schwachstellen, wird an diesen angesetzt. Für die Durchführung wird ein Minimum an Zeit kalkuliert, da meist eine Alarmauslösung zur Folge hat, dass man den Tätern schnell auf die Spur kommt. Um das zu verhindern, wird auch alles für die Zeit nach dem Raub bestens organisiert.

Die Fluchtmittel und eventuell genutzte Maskierungen werden auf der Flucht weggeworfen. Teilweise erfolgt auch ein Wechsel der Kleidung. Ware und Täter bleiben nur für wenige Zeit gemeinsam fassbar. Nach wenigen Minuten, maximal Stunden, geht die Ware einen zuvor gut ausgeklügelten Transportweg – geschmuggelt oder legal mit gefälschten Transportdokumenten. Die Täter nehmen einen ganz anderen Weg.

Wenn ein Raub gelingt – was waren die entscheidenden Faktoren für den Erfolg?

Grundsätzlich die vorhandenen Absicherungen. Zuerst die, die zur Sicherung der Ware installiert wurden, später dann auch die, die von Tätern zu ihrem eigenen Schutz aufgebaut wurden. Entscheidend ist immer der Zeitfaktor: Wie lange dauert es bis die begehrliche Ware entwendet werden und man selbst sicher entkommen kann? Schwachstellen werden gnadenlos analysiert und sogar getestet. So wird auch schon lange vor der Tat nächtlicher Alarm ausgelöst und gewartet was passiert. Sind mechanische und elektronische Absicherungen sehr gut, dann ist eventuell der Faktor Mensch das schwächste Glied in der Absicherungskette und Möglichkeiten mittels Social Engineering oder Kidnapping werden evaluiert.

Täter haben alle Zeit der Welt, um an ihr Ziel zu gelangen. Es ist schlicht egal, ob jemand über Monate observiert werden muss, nur um eine wichtige Schlüsselposition zu knacken.

Wie kann man sich ‚den Mensch dahinter‘ vorstellen?

Der Mensch dahinter sieht aus wie „du und ich“. Menschen mit Familie und Kindern, die lachend Urlaub am Meer verbringen. Organisierte Tätergruppen weisen überwiegend eine strenge hierarchische Struktur auf. Da sind die, die Taten ausführen, Aufklärer, die Sicherheitseinrichtungen und Opferverhalten auskundschaften, Transporteure, Helfer, Hehler und Auftraggeber. Letzterer ist niemals in direktem Kontakt mit den unteren Ebenen. Kommunikationswege werden über alle erdenklichen Kanäle geführt und umgeleitet. Bei ganz wichtigen Gesprächen wird das persönliche Gespräch immer noch als Mittel erster Wahl genommen.

Jeder der Beteiligten hat seine Aufgabe und ist auf seinem Gebiet über Jahre hinweg gewachsen: Wir haben es teilweise mit richtig guten Experten zu tun, die auf dem normalen Arbeitsmarkt mit ihrem Fachwissen als Spezialisten für Alarmanlagen oder Glasbeschaffenheit ein enorm gutes Gehalt verdienen würden.

Hilflos ausgeliefert ist man diesen Tätern dennoch nicht. Es gibt Mittel und Wege wie man sich schützen kann. Zum einen mittels installierter Absicherungsmaßnahmen wie sinnvoller Mechanik, Elektronik und Videotechnik, aber auch, und das ist der weitaus wichtigste Faktor, mittels aufgeklärtem und geschultem Personal. Wer weiß wie Täter arbeiten, wird mehr Sicherheitsbewusstsein erlangen und wissend agieren können. Schulungen zur Erlangung dieses Wissens sind ständig an die neuen Vorgehensweisen anzupassen und regelmäßig durchzuführen, um im Ernstfall zu wirken.